Im  vorangegangenen Artikel wurde der Frage nachgegangen, „wie“ sich der Mensch im Mittelalter ernährt hat, also was er aß und wie er es zubereitet hat. Im Hinblick auf die damals deutlich von unseren heutigen Voraussetzungen abweichenden Lebensumstände drängt sich beinahe zwangsläufig die wesentlich grundlegendere Frage auf nach dem „wie viel“.
Wie viele Nahrungsmittel standen den Menschen im Mittelalter überhaupt zur Verfügung und welchen Einflüssen unterlag die den Menschen zur Verfügung stehende Nahrungsmenge?
Als Ausgangspunkt für unsere Überlegungen wollen wir uns zu Beginn einmal anschauen, wie überhaupt Nahrungsmittel produziert wurden. Für eine exemplarische Betrachtung bietet sich Getreide als das Grundnahrungsmittel der damaligen Zeit schlechthin hervorragend an, wobei sich die ausgeführten Aspekte problemlos auch auf andere Bereiche des Ackerbaus übertragen lassen.

Ackerbau im Wandel
Die Landwirtschaft des Mittelalters unterschied sich deutlich von unserer heutigen Agrarindustrie. Offensichtlichster Unterschied dürften die technischen Gerätschaften und Hilfsmittel sein, die den damaligen Bauern nicht oder nur in rudimentärerer Form zur Verfügung standen.
Darüber hinaus unterschieden sich aber auch die verwendeten Getreidesorten, sowie die grundsätzliche Art und Weise, wie Ackerland genutzt wurde deutlich.

Allem Voran steht natürlich die Frage, wie überhaupt Ackerbau betrieben wurde.
Die im Frühmittelalter vorherrschende Form des Ackerbaus war die so genannte Urwechselwirtschaft. Einfach gesagt wurde ein bestimmtes Feld nach der Rodung so lange genutzt, bis die Erträge nach ließen. Dann wurde das Feld aufgegeben, der Natur überlassen und ein neues Stück Ackerland erschlossen. Daraus entwickelte sich bald die Feldgraswirtschaft, die vorsah, ein Feld nach einer Phase der intensiven Nutzung als Weideland zu verwenden. Besonders im süddeutschen und im Alpenraum kam mit der „Egartwirtschaft“ eine leicht abgewandelte Form davon zur Anwendung, bei der die Flächen nach ihrer Nutzung als Ackerland gezielt durch Raseneinsaat zur Weide umgeformt wurden. Eine andere häufig anzutreffende Form der Feldbewirtschaftung war darüber hinaus die Brandwirtschaft. Ein Landstück wurde durch ein Feuer gerodet ( Brandrodung ) und die entstandene Asche anschließend als Dünger untergepflügt.
Aus diesen ursprünglichsten Nutzungsformen entwickelte sich im Verlaufe des Frühmittelalters die Zweifelderwirtschaft. Dies bedeutete erstmals, dass Ackerflächen nicht einer einmaligen Nutzung bzw einem einmaligen Nutzungszyklus bis zur Erschöpfung des Bodens und anschließender Aufgabe unterlag, sondern dass erschlossene Felder längerfristig den Ackerbau erhalten blieben. Das System basierte darauf, dass jeweils zwei Ackerflächen abwechselnd genutzt wurden bzw. brach lagen. Somit wurde jedes Feld ein Jahr lang genutzt und hatte anschließend ein Jahr Zeit, sich zu erholen und zu regenerieren. Gegenüber den ursprünglichen Nutzungsformen des Frühmittelalters wurde durch die Zweifelderwirtschaft eine längerfristige Nutzung des Bodens möglich, ohne ständig neue Flächen zu roden und urbar zu machen.
Im 12. und 13. Jahrhundert folgte dann mit der Dreifelderwirtschaft die bahnbrechendste Änderung in der Bodennutzung.
Dabei durchläuft jedes Feld einen dreijährigen Zyklus, der sich wie folgt aufbaut: Im ersten Jahr wird im Herbst Wintergetreide gesät ( genau genommen im Herbst vor dem „ersten“ Jahr ), im zweiten Jahr folgt im Frühjahr Hafer, Gerste oder Hülsenfrüchte und im dritten Jahr liegt das Feld brach. Darüber hinaus wurden die Felder nie zweimal hintereinander mit dem gleichen Getreide bebaut. Somit hatte der Boden gute Voraussetzungen, sich zu regenerieren, wurde aber durch die Folge von Winter- und Sommergetreide letztendlich in jedem 36-Monatszyklus nur 16 Monate genutzt und lag die restlichen 20 Monate brach. Im Gegensatz zur Zweifelderwirtschaft brachte der Boden wesentlich länger gleich bleibenden Ertrag, lag aber nur ein Drittel der Jahre brach, gegenüber der Hälfte der Jahre bei der Zweifelderwirtschaft.
Neben der Vermeidung einer allzu großen Erschöpfung des Bodens und des über die Jahre gesehen deutlich gesteigerten Ertrags, hatte die Dreifelderwirtschaft einen weiteren entscheidenden Vorteil: Durch die unterschiedlichen Nutzungen für Winter- und Sommergetreide verteilten sich die Arbeitszyklen ( Pflügen, Sähen, Ernten ) wesentlich gleichmäßiger über das Jahr, wodurch einerseits weniger Personen die gleichen Felder bewirtschaften konnten, da ja nicht alle Felder zur gleichen Zeit bestellt werden mussten. Zum anderen reduzierte sich durch die Verschiebung der Erntezeiten auf Grund unterschiedlicher Feldnutzungen die Gefahr, dass schlechte Witterung ganze Ernten vernichtete. Fiel die Ernte des Wintergetreides schlecht aus, oder wurde durch Unwetter zerstört, konnte dieser Verlust zumindest teilweise durch die Sommerernte aufgefangen werden.

Gleichzeitig entwickelte sich neben den neuen Nutzungsmethoden der Felder ebenfalls die zur Verfügung stehenden Werkzeuge weiter. Vor allem im Hochmittelalter nahm die Verwendung von Eisenteilen bei der Herstellung der Geräte zum Ackerbau deutlich zu, was zu längeren Lebenszeiten der Geräte und zur deutlichen Steigerung der Produktivität führte. Beispiele für diese verbesserten Gerätschaften sind zum Beispiel eisenbeschlagene Räder der Wagen, oder auch weiter entwickelte Zuggeschirre für die Pferde oder Ochsen, nicht zuletzt aber auch das Hufeisen.
[ Stephanie Schrön: Die bäuerliche Arbeitswelt im Mittelalter – Ackerbau (2008) ISBN 978-3-640-65363-8 ]

Zusammenfassend führte die rasante Entwicklung des Ackerbaus, vor allem vom Früh- zum Hochmittelalter, durch die enorme Steigerung der zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel zu einer Ausgangslage, die die Entwicklung der Städte hin zu den Wirtschaftszentren des Spätmittelalters  erst möglich machte.

Erträge
Zur Beantwortung der Frage, wie viele Lebensmittel denn jetzt tatsächlich zur Verfügung standen, lohnt einmal ein Blick auf die Ertragszahlen.
Als mittleres Verhältnis von Saatgut zu Ertrag kann ein Wert von 1:3 bis 1:4 angenommen werden, wobei dieser Wert deutlich nach oben oder unten abweichen kann. So berichten zeitgenössische Niederschriften etwa von Erträgen von nur 1:2 bis hin zu besonders guten Ernten bis 1:12.
[ Werner Rösener: Bauern im Mittelalter (1991) ISBN 3-406-30448-6 ]
Beeinflusst wird der Ertrag einerseits vom verwendeten Saatgut bzw. der verwendeten Getreidesorte, sowie von Standort bedingten Faktoren wie Bodenqualität und Bewässerungssituation ( Niederschläge, Grundwasser ).
Darüber hinaus hat aber auch der Mensch entscheidenden Einfluss auf den zu erwartenden Ertrag. Zum einen kann er die oben genannten „natürlichen“ Faktoren beeinflussen, zum anderen führen die eingangs beschriebenen Arbeitsmethoden im Laufe ihrer Entwicklung zu stetig steigenden Erträgen.

Neben diesen „normalen“, häufig konstanten oder sich nur allmählich ändernden Einflüssen auf die Ertragslage der Landwirte, berichten verschiedene Quellen von zahlreichen Ereignissen im Verlaufe des Mittelalters, die in aller Regel negativen und dann zumeist auch verheerenden Einfluss auf die Nahrungsmittelproduktion entweder einzelner Gebiete oder sogar ganz Europas hatten.

Klima
Die moderne Klimaforschung verfügt heute über Forschungsergebnisse, die es ermöglichen, sehr genaue Klimamodelle für das Mittelalter zu erstellen.
Unter Berücksichtigung von Temperatur und Niederschlägen in den verschiedenen Jahreszeiten ermöglichen diese Modelle somit wiederum recht gute Rückschlüsse auf die Erträge der Landwirtschaft. Untersuchungsergebnisse zeigen zwar kurzfristige deutliche Abweichungen nach oben und unten, jedoch lassen sich längerfristig klare Tendenzen erkennen.
Im Zeitraum bis Ende des 13. Jahrhunderts  war das Klima demnach über alle Jahreszeiten hinweg sehr mild, die für diesen Zeitraum eher spärlichen Informationen zu den Niederschlagsmengen deuten auf einen Wechsel von eher feuchten und eher trockenen Jahren hin. Die Literatur spricht hier auch vom so genannten „Mittelalterlichen Klimaoptimum“.
Von Anfang bis etwa Mitte des 14. Jahrhunderts folgt dann eine Phase der Klimaverschlechterung mit tendenziell kühleren und vor allem im Zeitraum 1342-1350 extrem feuchten Sommern.
Die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts unterteilt sich erst in eine Kaltphase bis etwa 1370, gefolgt von einer Warmphase, die vor allem zwischen 1383-1397 mit einer extremen Trockenheit einherging.
Das 15. Jahrhundert zeigt sich zunächst mit einer großen Klimavarianz, d.h. sehr großen Schwankungen, sowohl in Temperatur als auch Niederschlägen. Zum Ende des Jahrhunderts hingegen wird das Klima deutlich feuchter und kälter, man spricht vom ausgehenden Mittelalter (15. Jahrhundert) bis ins 19. Jahrhundert hinein von der so genannten „kleinen Eiszeit“.
Neben der Auswertung der Forschungsergebnisse werden diese Rückschlüsse durch zahlreiche Niederschriften ergänzt, z.B. Wetteraufzeichnung verschiedener Klöster etc.
Ausgehend von der Tatsache, dass die Landwirtschaft von mildem Klima mit mäßigen Niederschlägen begünstigt wird, ermöglichst uns dies Aussagen über die Ertragslage verschiedener Jahre. Im 13. Jahrhundert dürften daher stabile und eher hohe Erträge erwirtschaftet worden sein, wogegen im 14. Jahrhundert Phasen mit hohen und Phasen mit niedrigen Erträgen abwechselten. Vor allem die extrem feuchten und kühlen Jahre von 1342-1350 und die Trockenheit von 1383-1397 dürfte die Erträge deutlich gesenkt haben. Die permanent schlechteren Klimaverhältnisse im 15. Jahrhundert müssten demnach zu dauerhaft schlechteren Ernten geführt haben.
Gestützt wird diese Annahme von Quellen, die zwar nicht direkt das Klima beschreiben, die aber durchaus die direkten Auswirkungen wiedergeben. Aufzeichnungen über die Getreidepreise Nürnbergs von Anfang des 16. Jahrhunderts zum Beispiel stehen im Einklang mit der Vermutung, dass die Kleine Eiszeit die Erträge dauerhaft senkte.
[ Gabriela Schwarz-Zanetti: Grundzüge der Klima- und Umweltgeschichte des Hoch- und Spätmittelalters in Mitteleuropa (1998) ]

Naturkatastrophen
Neben diesen langsamen, ganz Europa betreffenden Ereignissen berichten zahlreiche Quellen von verschiedenen Naturkatastrophen, die vor allem lokal oder regional teils verheerende Folgen auf die Ernterträge hatten.
Bereits von 1164 stammen erste Berichte über eine besonders heftige Sturmflut im Nord- uns Ostseeraum, der sogenannten „Julainenflut“. 1219 folgte die erste aus einer Reihe weiterer großer Sturmfluten, bezeichnet als die sechs Marcellifluten“. Die zweite „Marcellusflut“ von 1364 wurde bereits in zeitgenössischen Berichten als „Erste grote Mandränke“ bezeichnet, was Aufschluss über die verheerenden Ausmaße der Überschwemmungen gibt.
Zwischen 1928 und 1931 wurden dann auch tatsächlich Überreste mehrerer Siedlungen im Wattenmeer durch erneute überdurchschnittlich hohe Fluten frei gespült. Durch die zeitliche Datierung der Funde zeigte sich, dass diese Siedlungen im oben genannten Zeitraum verloren gingen.
Aber auch aus dem Binnenland weiß man von Flutkatastrophen, die sogar weit über die „Jahrhunderthochwasser“ der letzten Jahre hinaus gingen.
Beim „Magdalenenhochwasser“ von 1342 führten extrem heftige Niederschläge zur stärksten bekannten Flurkatastrophe des Mittelalters an beinahe allen europäischen Flüssen.
Aber auch andere Ereignisse erschütterten im wahrsten Sinne des Wortes die damalige Welt. Prominentestes Beispiel ist das große Erdbeben von 1348, welches mit seinem Epizentrum in der Gegend um Friaul vor allem den südeuropäischen Raum betraf.
[ Siegfried Jachs: Einführung in das Katastrophenmanagement (2011 ) ISBN 978-3-8424-0124-2 ]
Letztendlich handelt es sich dabei um die selben Phänomene, wie sie uns auch heute regelmäßig heimsuchen, jedoch ist anzunehmen, dass die  mittelalterliche Bevölkerung mit ihren deutlich geringeren technischen Möglichkeiten in den betroffenen Gebieten ungleich stärker und länger damit zu kämpfen hatten.

Seuchen / Epidemien
Nur noch bedingt unter das Stichwort Naturkatastrophen fällt eine weitere Kategorie Ereignisse, welche einen großen Einfluss auf die Ernährung der Bevölkerung hatten: Seuchen oder auch Epidemien. Für die Bevölkerung handelte es sich dabei zweifelsohne um Katastrophen, jedoch handelt es sich dabei um die ersten unter den bereits angeführten Ereignissen, bei denen der Mensch auch mit damaligen Mitteln zumindest rudimentär Einfluss auf die Verbreitung oder die Auswirkungen nehmen konnte.
Eine im Mittelalter weit verbreite Krankheit, nicht für den Menschen, sondern für die Nahrungsmittel - sprich das Getreide selbst, war das Mutterkorn ( auch Krähensporn, Hahnenkorn, Roter Keulenkopf etc. genannt ). Diese Krankheit befällt das Getreide und führt zu übergroßen schwarzen Auswüchsen ( sog. Skletorien ), welche klar an der Ähre erkennbar sind.
Wird das Mutterkorn über die Nahrung aufgenommen, führen die darin enthaltenen Giftstoffe zu Darmkrämpfen, Halluzinationen und Durchblutungsstörungen, die schließlich zum Verlust der Extremitäten führen können. Das Krankheitsbild, welches diese Symptome zusammenfasst, war früher als „Kriebelkrankheit“ bekannt und wird heute wissenschaftlich als „Ergotismus“ bezeichnet. Bereits 5-10 Gramm Mutterkorn können beim Menschen Atemlähmungen, Kreislaufversagen und schließlich den Tod herbeiführen.
Da im Mittelalter noch keinerlei Spritzmittel gegen Mutterkorn bekannt waren, konnte sich das Mutterkorn beinahe ungehindert ausbreiten und führte im Verlauf der Jahrhunderte mehrfach zu flächendeckenden Verseuchungen des Getreides. Einzige bekannte Abhilfe gegen den Mutterkornpilz war, das Getreide vor dem Vermahlen zu reinigen, d.h. die schwarzen Körner von Hand auszulesen. Da dieser Vorgang zeitaufwändig und teuer war, kamen vor allem wohlhabendere Bürger in den Genuss dieses „Schutzes“, unter der einfachen Landbevölkerung wurde häufig das billige, ungereinigte und verseuchte Getreide verzehrt.
Berichte über Massenerkrankungen durch Mutterkornvergiftung lassen sich in Frankreich bis ins Jahr 590 zurückverfolgen.
Im Mittelalter sind ebenfalls in Frankreich vor allem die Epidemien der Jahre 994 und 1129 bekannt, wo 40.000 bzw. 12.000 Menschen den Tod fanden.
Erste Berichte über flächendeckende Erkrankungen finden sich in Deutschland im Jahr 1577, jedoch selbst im Jahr 1884 führte sie z.B. in Schlesien noch zu zahlreichen Todesfällen.
Besonders schwerwiegend waren die Mutterkornepidemien neben der fehlenden Eindämmungsmöglichkeiten aber auch deshalb, weil die Giftstoffe nicht nur über das Getreide zum Menschen gelangten, sondern auch durch Futtergetreide entweder direkt das Nutzvieh dahinraffte, oder über das Fleisch der Tiere wiederum den Weg zum Menschen fand.
[ Prof. Dr. Erich Mühle: Vom Mutterkorn (1953) ISBN 276-105-62-52 ]

Neben Krankheiten, die die Nahrungsmittel direkt befielen, von denen Mutterkorn sicher nicht die einzige, aber die bekannteste und am weiten verbreitetste des Mittelalters war, führten zahlreiche Erkrankungen aber auch auf einem anderen Wege zu einer spürbaren Reduzierung der Ernteerträge. Die bekannteste und am häufigsten genannte soll hier stellvertretend als Beispiel dienen: Die Pest, oder auch der Schwarze Tod.
Zum genauen Krankheitsbild sollen hier keine großen Worte verloren werden, da die Krankheit in Literatur zum Thema Mittelalter vielfach genannt und erläutert wird. Besonders bekannt ist etwa die große Pestwelle von 1347-1353, der grob ein drittel der Europäischen Bevölkerung zum Opfer viel.
[ Klaus Bergdolt: Die Pest – Geschichte des Schwarzen Todes (2006) ISBN: 3-406-53611-5 ]
Viel interessanter für unser Thema ist aber, auf welchen Wegen die Pest Einfluss auf die Nahrungsmittelversorgung der Menschen nahm.
Am offensichtlichsten dürfte die Tatsache sein, dass durch den Tod großer Anteile der Bevölkerung schlichtweg die Arbeitskräfte zur Bewirtschaftung der Ackerflächen fehlten.
Nicht minder verheerend für die Versorgung der verbleibenden Bevölkerung dürfte aber auch der teils völlige Zusammenbruch der Infrastruktur, in diesem Fall vor allem der Logistik für Transport und Verarbeitung des Getreides in den befallenen Gebieten gewesen sein.
Neben diesen rein praktischen Gründen dürften noch zahlreiche der Religion und dem Aberglauben entstammende Aspekte die Lage zusätzlich verschärft haben, so dass die Auswirkungen auf die nicht direkt von der Pest betroffenen Menschen verheerend gewesen sein müssen.

Der Mensch
Zum Abschluss wollen wir noch kurz eine bisher nicht genannte Einflussgröße auf die Nahrungsversorgung der Menschen streifen – nämlich den Menschen selbst.
Während die bisherigen Punkte in erster Linie auf die absolut zur Verfügung stehende Menge an Nahrungsmitteln abzielte, ist der Mensch vor allem im Bezug auf die relative Verteilung der Lebensmittel eine entscheidende Größe.
Da Steuern und auch Kirchenzehnt von den Bauern meist in Naturalien bezahlt wurden, wurden somit zwar keine Nahrungsmittel vernichtet, sie standen der Bevölkerung aber schlicht und einfach nicht mehr zur Ernährung oder zur Aussaat im Folgejahr zur Verfügung.

Fassen wir also einmal zusammen:
Erzielte ein Bauer im Mittel einen Ertrag von 3:1, d.h. den dreifachen Ertrag im Verhältnis zum Saatgut, so verbleiben ihm nach Abzug des Saatguts für das Folgejahr nur noch zwei Drittel der erwirtschafteten Menge. Von dieser Menge gehen Steuer- und Zehntzahlungen ab und führen letztlich zu dem Getreide, dass noch zur Ernährung für Mensch und Nutzvieh (!) verbleibt. Ziehen wir hiervon wiederum einen Anteil für Verluste durch schlechte Lagermöglichkeiten, Fäulnis, Ratten etc. ab, bleiben nur noch wenige oder gar keine Überschüsse mehr, die in den Handel fließen konnten.
[ Werner Rösener: Bauern im Mittelalter (1991) ISBN 3-406-30448-6 ]
Unter dieser Voraussetzung wird deutlich, wie gravierend schon kleine Ernteausfälle durch schlechte Witterung oder Ähnliches gewesen sein müssen.
Auch nach dieser Betrachtung fällt eine Nennung von absoluten Zahlen im Bezug auf die Ernährung der Bevölkerung schwer. Jedoch wird deutlich, dass bei einer bereits ohne Katastrophen eher knappen Ausgangslage, der Hunger in weiten Teilen der Bevölkerung durchaus an der Tagesordnung gewesen sein muss.
Auch wenn technischer Fortschritt die Erträge im Verlauf des Mittelalters deutlich anhob, so dürften diese Ertragssteigerungen durch die vor allem im 14. Jahrhundert gehäuft auftretenden Katastrophen meist aufgezehrt worden sein.

Florian Fischer / Oktober 2011