Jeder Freiburger kennt das Münster und vermutlich stand jeder Besucher schon mal vor diesem unglaublichen Bauwerk und hat sich die Frage gestellt, wie so ein Bauwerk ohne moderne Technologie entstehen konnte. Ein Antwortversuch findet sich zur Zeit im Freiburger Augustinermuseum, genauer gesagt in der Sonderausstellung "Baustelle Gotik".

Wie der Name vermuten lässt, steht in der Ausstellung die Bautechnik im Vordergrund. Den Auftakt bildet eine Miniaturdarstellung des Münsterbaus, komplett mit Kränen, Handwerkern bei der Arbeit und ein paar kleinen Marktständen, liebevoll dekoriert und bis in die kleinsten Einzelheiten ein lebendiges Bild einer solchen Großbaustelle. Im Zentrum stehen die Gewerke des Münsterbaus, die Steinmetze, die Zimmerer, die Fensterbauer bzw. Glaser, die Architekten, deren Arbeit wird hier gewürdigt. Es wird das Werkzeug vorgestellt, mit denen die Bäume zugesägt wurden, die Steine bearbeitet und das Glas bemalt wurde. Beeindruckend ist die Komplexität der Steinmetzarbeiten, die Krabben und die Fialen, die Wasserspeier und die Kapitelle, die das Münster bis heute innen und außen zieren und die man hier aus nächster Nähe betrachten kann. Zwar handelt es sich oftmals um Gipsabdrücke aus der Münsterbauhütte, aber trotzdem ist man überrascht, dass oft einzelne Elemente so fein verziert wurden,auch wenn man schon zum Zeitpunkt des Entstehens wusste, dass sie später nie mehr mit bloßem Auge zu erkennen sein werden.

Beeindruckend sind auch die Planungszeichnungen, die ebenfalls zu sehen sind. Für den Nicht-Architekten wie mich war der Detailreichtum neu. Jede noch so kleine Verzierung, jede noch so kleines Stück Fries taucht in den Zeichnungen aus. In der Tat werde ich mich in den nächsten Tagen mal mit einem Fernglas auf die Suche machen und schauen, ob ich die eine oder andere Verzierung wiederfinde. Bei zweitem Nachdenken fällt dann auf, dass etwas fehlt auf den Zeitungen, was uns so völlig selbstverständlich ist: Ein Maßstab. Was zwar selbstverständlich ist, weil der Meter als Längeneinheit erst seit dem 18. Jahrhundert in Gebrauch ist, aber trotzdem auf einer Architekturzeichnung doch unvertraut ist.

Sehr gut hat mir auch gefallen, dass das Münster eingebettet worden ist in einem Vergleich der verschiedenen Münsterbauten: Basel, Straßbourg, Thann, Villingen uvm. Falls ich nächsten Sommer mal irgendwann Zeit habe, habe ich jetzt auf jeden Fall Ziele für ein paar Motorradtouren.

Neben den vielen Exponaten, die die Komplexität dieses Baus und den Reichtum der gotischen Architektur erfahrbar macht, gibt es leider auch ein paar Leerstellen. Die Frage nach der Finanzierung des Münsterbaus (Stiftungen, Ablasshandel, etc.), was diese jahrhundertelange ökonomische Anstrengung für die Stadt und ihre Entwicklung wird nicht gestellt und auch nicht beantwortet. Ebensowenig taucht die Lebenssituation der Handwerker auf, wie wurden sie bezahlt, wie waren die Löhne wie wurden sie angeworben. Das wäre schön gewesen.

Verdienstvoll ist allerdings dass die Ausstellung auf einen Faktor ganz deutlich hinweist: Das Münster konnte gebaut werden aufgrund eines intensiven Technologietransfers und einer intensiven Austausches von Handwerkern und ihres Wissens. Trotz der kleinen Mängel ist die Ausstellung für alle Mittelalterinteressierten äußerst sehenswert, sie ist noch bis zum 25. Mai geöffnet. Nähere Infos gibt es auf der Internetseite des Augustinermuseums