Wer die vorangegangenen Artikel über die Mode des Frühen und Hohen Mittelalters verfolgt hat, dem wird vermutlich bereits in diesen eine Tendenz aufgefallen sein, in welche Richtung sich die Mode im Laufe der Jahrhunderte entwickelte. Nun wollen wir einmal schauen, ob das Spätmittelalter unsere Erwartungen erfüllt.

Männerkleidung
Wie bereits bekannt schauen wir uns zunächst die Kleidung eines Mannes im Spätmittelalter an und beginnen mit den Beinkleidern.
Als Bildquelle dient uns hierfür der so genannte „Spiele- oder Minneteppich“ (vermutlich Raum Heidelberg, um 1400; ausgestellt im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg), der uns verdeutlicht, dass auch im Spätmittelalter die Beinlinge das Beinkleid des Mannes schlechthin darstellten. Darüber hinaus erkennen wir aber auch sehr gut die Veränderungen, die dieses Kleidungsstück seit dem Hochmittelalter durchlief: Dem allgemeinen Trend zu einer immer eng anliegenderen und körperbetonteren Kleidung folgend, wurden auch die Beinlinge so geschnitten, dass die Form des männlichen Beins hervorgehoben wurde. Durch die immer kürzere Oberbekleidung wurde der Beinling länger und länger und verdeckte neben dem eigentlichen Bein auch mehr und mehr das Gesäß. Das Ende dieser Entwicklung war dann im ausgehenden 15. Jahrhundert die Verbindung der bis zum Bund geführten Beinlinge am Gesäß und darüber hinaus als allerletzter Schritt das Hinzufügen eines Latzes im Schambereich, der zwei ursprünglich getrennte Beinlinge endgültig zu einer eng anliegenden, bis zur Hüfte reichenden Hose verschloss. („Cas de nobles hommes et femmes“, Jean Fouquet, Frankreich ca. 1458). Bereits die hohen Beinlinge des 14. Jahrhunderts, aber auch die geschlossenen Hosen des 15. Jahrhunderts wurden dabei nicht länger wie bisher wohl üblich an der Bruche fest genestelt, sondern auf Grund es geänderten Schnitts und vermutlich auch des Wandels der Nesteln vom reinen Zweckgebrauch hin zum modischen Detail direkt mit der Oberbekleidung in Form des Wams oder der Schecke verbunden ( „Spiegel der Weisheit“, Österreich ca. 1415 ).

Wie bereits oben angeschnitten, schritten die bereits im Hochmittelalter begonnenen Entwicklungen durch das 14. und 15. Jahrhundert voran. Unabhängig von der immer größer werdenden Zahl von Unterformen, Varianten und verschiedenen Ausprägungen lassen sich die grundlegenden Veränderungen der männlichen Oberbekleidung im Spätmittelalter so beschreiben: Ab ca. Mitte des 14. Jahrhunderts wurde die bisherige weite Kotte immer enger und folgte dabei zunächst den Konturen des Oberkörpers, um diesen dann in den extremen Ausprägungen sogar zum Beispiel in Form der so genannten „Kugelbrust“ ( Ideal einer hervortretenden „muskulösen“ Männerbrust ) zu überspitzen. Ab einem gewissen Punkt wäre es nicht mehr möglich gewesen, das nun sehr enge Kleidungsstück über den Kopf zu ziehen und mit den Armen hineinzuschlüpfen – was letztendlich zu einer der großen Neuerungen der spätmittelalterlichen Mode führte: Knöpfe! Es existierten neben den Knöpfen noch weitere Verschlussmöglichkeiten der Kleidung, so zum Beispiel die Schnürung mit einem langen Nestelband durch kleine Ösen oder auch „Nestellöcher“, aber Knöpfe wurden hier zum modischen Accessoire
Allerdings lassen die zeitgenössischen Bildquellen vermuten, dass Schnürungen überwiegend bei einfacheren Kleidungsstücken oder auch bei der Unterbekleidung zur Anwendung kam.
Am häufigsten zeigen Bildquellen hingegen Knöpfe, die je nach Herkunft und Wohlstand des Trägers entweder aus Stoff oder verschiedenen Metallen wie Zinn, Bronze, Messing oder sogar Silber und Gold bestehen konnten.
Erst der Einsatz von Knöpfen ermöglichte es, die Oberbekleidung, die beim Mann nun nicht mehr als Kotte, sondern je nach Form entweder als Wams, Schecke oder auch Cothardie bezeichnet wurde, so zu gestalten, dass sie im extrem hauteng anlag und trotzdem zum An- und Ausziehen geöffnet werden konnte. Als ein Beispiel wollen wir uns nun einmal den so genannten Purpoint von Charles de Blois ( ca. 1360, Frankreich Musee Historique des Tissus, Lyon ) anschauen. An diesem Stück mittelalterlicher Schneiderkunst lassen sich sämtliche typischen Merkmale der spätmittelalterlichen Mode erkennen: Zunächst einmal ist der Purpoint sehr kurz, nur bis knapp über das Gesäß, geschnitten und liegt dabei eng am Oberkörper an. Brust und Taille sind dabei jeweils deutlich über die natürliche Erscheinung hinaus herausgearbeitet und treten als Kugelbrust bzw. an eine Wespentaille erinnernd in Erscheinung ( vgl. „Spiegel der Weisheit“, s.o. ). Um trotz des engen Schnittes eine gute Bewegungsfreiheit zu garantieren, wurde das Schnittmuster sehr aufwändig gestaltet und weist mit den so genannten „Grandes Assiettes“ eine raffinierte Lösung auf. Durch extrem große Armausschnitte, welche die eigentlichen Stoffzuschnitte des Oberkörpers auf nahezu nur noch einen schmalen Steg reduzieren, bleibt der Arm trotz sehr eng anliegender Kleidung überaus beweglich. Weiterhin erkennen wir an dem Purpoint sowohl an den Armen als auch an der Front eine Vielzahl von Knöpfen, wesentlich mehr deutlich enger angeordnete Knöpfe, als rein technisch erforderlich. In Verbindung mit zahlreichen anderen Quellen können wir daraus herleiten, dass die Knöpfe, wie zahlreiche andere Accessoires ebenfalls, sich zum modischen Detail entwickelten und der durchweg in der spätmittelalterlichen Mode anzutreffenden Tendenz zur Übertreibung anheim fielen. Wo im Hochmittelalter noch in erster Linie die Menge des verarbeiteten Stoffs den Wohlstand bezeugte, übernahm dies unter anderem nun auch Anzahl und Material der verwendeten Knöpfe.
Wenden wir uns nach der Oberbekleidung dem Mantel zu. Wo wir im Hochmittelalter noch den einfachen Rechteck- oder Radmantel, sowie eine bescheidene Zahl von bereits etwas aufwändigeren Surcots vorfanden, erschlägt uns im Spätmittelalter beinahe die Zahl und Vielfalt der Varianten. Als extremes Beispiel wollen wir uns einmal die „Chroniques“ von Jean Froissart ( Brügge, ca. 1465-1470 ) vom Ende des Spätmittelalters anschauen. Auffällig ist, dass der noch aus dem Hochmittelalter bekannte einfache Umhang völlig verschwunden zu sein scheint. Statt dessen finden wir Oberbekleidungen in Längen vom Oberschenkel bis hinab zum Boden. Einige sind eng anliegend und an der Hüfte mit einem Gürtel gefasst, andere fallen weit und faltenreich. Ebenso bei den Ärmeln finden wir vom recht eng anliegenden Ärmel bis hin zum grotesk anmutenden Sackärmel in völlig überzogener Dimension alle Zwischenstufen.
Ausschlaggebend für die Gestaltung der Kleidungsstücke, für die den Quellen je nach Form, Herkunft und spezieller Funktion Namen wie Houppelande, Tapert, Cothardie… zu entnehmen sind, scheint nicht länger die Repräsentation des Wohlstands durch die reine Masse des Materials, sondern viel mehr durch den durchdachten und aufwändigen Zuschnitt. Insbesondere dem Faltenwurf fällt dabei eine besondere Rolle zu – so scheinen die Falten aller gezeigten Gewänder genau geplant und sorgfältig arrangiert zu sein.

Darüber hinaus zeigt uns das angesprochene Gemälde eine hervorragende Übersicht der getragenen Kopfbedeckungen. Auch hier scheint die für das Spätmittelalter typische Vielfalt kaum greifbar. Während auf der Richtplattform Personen die bereits aus dem Hochmittelalter bekannte Kapuze mit Schulterüberwurf – die so genannte Gugel – tragen, habn die Personen im Vordergrund zu Pferd mit blauem bzw. rotem Mantel das gleiche Kleidungsstück seiner ursprünglich praktischen Funktion als Wetterschutz entlehnt und zum rein modischen Accessoire gewandelt: Der Gesichtsausschnitt der Gugel wurde aufgekrempelt und auf den Kopf gesetzt, wobei Schulterüberwurf und Kapuzenzipfel dekorativ über die Schultern nach hinten fallen. Zunächst wurde hierfür noch eine echte Gugel verwendet, später wurden Schulterbehang und Zipfel nur noch als funktionsloses, modisches Element einer reinen Kopfbedeckung beibehalten – dem Chaperon. Eine zeitgenössische Anekdote berichtet davon, dass ins besondere zu Zeiten großer Streitigkeiten zwischen Kaiser und Papst an der Tragweise des Chaperons die Gesinnung des Trägers ablesbar war. So zeigte angeblich das Tragen des ehemaligen Gugelzipfels auf der linken oder rechten Seite die Unterstützung für Kaiser oder Papst an.
Neben dieser aus heutiger Sicht sehr ungewöhnlichen Kopfbedeckung finden wir in den „Chroniques“ zahlreiche Hüte verschiedener Formen von flach und breitkrempig bis hin zu hohen, turmartigen Gebilden.

Frauenkleidung
Wie bei der Männerkleidung finden sich auch bei den Frauen Knöpfe als Bahn brechende Neuerung der Mode. Betrachten wir uns zum Beispiel die Wandmalereien des Schlosses Runkelstein ( Bozen, Südtirol, größter profaner Freskenzyklus des ausgehenden 14. Jahrhunderts ) an, so finden wir zahlreiche Abbildungen von Frauenkleidern, die vorne über die gesamte Länge geknöpft sind und dementsprechend eng die Konturen des Oberkörpers nachformen können. Aber auch eine weitere Neuerung der weiblichen Kleidung fällt an diesen Abbildungen auf: Wo die Kleider des Hochmittelalters noch hoch geschlossen waren und züchtig den gesamten Körper der Frau bedeckten, finden wir im Spätmittelalter erstmals einen Halsausschnitt, der seitlich weit bis an die Schultern geführt wurde und erstmals auch deutlich das Dekolleté zeigt.
Neben der Front lassen die eng anliegenden Ärmel der Abbildungen auch auf eine häufige Verwendung von Knöpfen an den Armen schließen, auch wenn diese Knöpfe seltener dargestellt wurden und wenn überhaupt meist nur angedeutet sind.
Von der Hüfte an abwärts fallen die Kleider des Spätmittelalters in großen weiten Falten hinab bis zum Boden. Auch wenn die Silhouette des Frauenkörpers wesentlich stärker betont wurde, als dies noch im Hochmittelalter der Fall war, wurden trotzdem gewisse Regeln wie etwa die Verhüllung des weiblichen Beins trotzdem nie übergangen.

Betrachten wir nach den Frauenkleidern das weibliche Übergewand, so sticht uns hier die gleiche Vielfältigkeit ins Auge, die bereits bei der Männerkleidung auffällig war. Als Quelle dienen uns in diesem Fall die „Histoires de Alexandre le Grand“ ( späte 1420er Jahre, Paris ). Die Bekleidung von vier der fünf gezeigten Frauen ist gut erkennbar und erlaubt uns, einige Varianten genauer anzuschauen.  Die sitzende Frau in der Mitte trägt einen vom Schnitt her einfachen Umhang, wie er uns bereits aus dem Hochmittelalter bekannt ist. Allerdings weist sie das Hermelinfutter des Umhangs neben der Krone deutlich als Herrscherin aus, was die Vermutung zulässt, dass der Umhang in diesem Fall eine zeremonielle Funktion erfüllt. Die Frauen zur linken in grün und zur rechten in braun zeigen und dagegen zwei häufig abgebildete Formen des Obergewands.
Die grüne „Houppelande“ liegt relativ nah am Schnitt des Kleids, sie ist bis zum Becken eng anliegend geschnitten und fällt von dort in weiten Falten hinab zum Boden. Der große Unterschied zum Kleid zeigt sich vor allem an den Ärmeln, die ab der Schulter übertrieben weit ausgestaltet sind und am Handgelenk bis zum Saum des Kleides hinab reichen. Zum einen erhöht der weite Zuschnitt des Arms natürlich die Beweglichkeit mit zahlreichen Stoff- und Kleidungsschichten übereinander. Darüber hinaus steht hier aber ganz klar der modische Anspruch im Vordergrund, da die hier gezeigten Stoffmengen eindeutig hinderlich sind und Arbeiten nahezu unmöglich machen dürften. Die braune Houppelande zur rechten zeigt insgesamt einen deutlich weiteren Zuschnitt, so ist bereits am Oberkörper ein Faltenwurf zu erkennen. Durch den direkt unter der Brust getragenen Gürtel und den weiteren Schnitt fällt dieses Kleidungsstück bereits ab dieser Stelle in weiten Falten zum Boden – die weiblichen Rundungen sind gegenüber der grünen Houppelande nur noch zu erahnen. Einen Interessanten Punkt stellt der Halsausschnitt dar, welcher als eine Art flach auf den Schultern liegender Kragen ausgebildet ist. Dieses modische Detail ist bei keiner der anderen Figuren zu sehen.

Auch bei den Kopfbedeckungen treffen wir wieder auf die bereits bekannte Vielfalt des Späten Mittelalters. Haben wir bei den zuletzt betrachteten „Histoires de´Alexandre le Grand“ die Herrscherin zweifelsfrei durch Krone und Hermelin identifiziert, liegt auch der Schluss nahe, dass die begleitenden Damen entsprechend ihrer aufwändigen Kopfbedeckungen der höfischen Szene entstammen. Alle vier Frauen tragen verschiedene Formen der so genannten „Hörnerhaube“, einer Kopfbedeckung, die mit Elementen von Hut, Schleier und Haarnetz eindeutig als sehr modern und vermutlich nicht zur Alltagsgarderobe gehörig einzustufen wäre.
Etwas alltäglicher erscheint dagegen die Kopfbedeckung der „Margarethe von Katzenelnbogen“ ( Grabplatte von 1377, Evangelische Kirche Neckarsteinach ). Sie trägt mit ihrem so genannten Kruseler zwar keinen einfachen Schleier, aber ein Kleidungsstück, welches diesem sehr ähnlich ist und sich in erster Linie durch die Ausschmückung des vorderen Abschlusses in Form mehrer in kleinste Falten gelegter Stoffstreifen unterscheidet. Zwar dürfte der Kruseler immer noch dem Adel und besitzenden Bürgertum vorbehalten sein, er scheint aber zumindest eine gewisse Alltagstauglichkeit aufzuweisen und somit ein recht anschauliches Bindeglied zum immer noch verbreiteten, bereits aus dem Hohen Mittelalter bekannten Schleier sein.
Eine spannende Beobachtung hinsichtlich der weiblichen Kopfbedeckungen des Spätmittelalters ist diese: Wo die Vielzahl der Abbildungen überwiegend kirchlichen Ursprungs meist die züchtig verhüllte bzw. verschleierte Frau zeigt, finden sich auf den Fresken von Schloss Runkelstein ( s.o. ) bis auf wenige Ausnahmen keinerlei Schleier. Stattdessen tauchen hier zahlreiche Frauen völlig ohne Kopfbedeckung, sowie eine Bandbreite sehr unterschiedlicher Hüte auf. Die sich stellende Frage ist dabei, welche der beiden Seiten näher an der Realität lag oder aber versuchte, eine gewisse geistige und moralische Wunschvorstellung darzustellen. Aller Wahrscheinlichkeit dürfte die Realität irgendwo zwischen beiden Extremen gelegen haben.

Schuhwerk
Die Betrachtung der Schuhe stellt uns vor die selben Probleme, die uns schon im Hochmittelalter das Leben schwer machten: Vor allem die Übergewandungen mit ihren bodenlangen Schnitten verdecken häufig die Schuhe, so dass wir hinsichtlich der Formen auf die Abbildungen angewiesen sind, die in erster Linie Männer ohne langes Übergewand zeigen. Betrachten wir zum Beispiel Frossarts „Chroniques“ ( s.o. ), sehen wir verschiedene Schuhformen, die maximal bis zum Knöchel reichen und entweder der Fußform folgend vorn leicht spitz zulaufen, oder aber die Spitze des Schuhs überzogen nachformen, so dass ein mehr oder weniger langer Schnabel entsteht – was zur Bezeichnung „Schnabelschuhe“ führte.
Auf den Abbildungen Jean de Courcys „Chemin de Vaillance“ ( Brügge, späte 1470er Jahre ) erkennen wir dagegen die gleiche leicht spitze Schuhform, allerdings an einem extrem hohen Stiefel, der bis knapp an den Schritt reicht und beinahe an einen ledernen Beinling erinnert. Es handelt sich hierbei um Reiterstiefel oder so genannte „Lersen“.
Erst ganz zu Ende des Späten Mittelalters im Umbruch zur Renaissance wandelte sich die Schuhmode weg von der langen, ausgeformten Spitze hin zu einem Schuh, der nach vorn immer breiter wurde um dann quer völlig gerade abzuschließen. In der Renaissance sollten diese Schuhe dann ihrer Formgebung entsprechend unter dem Namen „Kuhmaulschuhe“ bekannt und weit verbreitet sein. ( Guillaume de Loris: „Roman de la Rose“, Flandern ca. 1490 ).

Stand und Wohlstand
Selbstverständlich waren auch die Menschen des Spätmittelalters daran interessiert, ihre Standesherkunft und ihren Wohlstand nach außen hin zu zeigen. Die einfachste Möglichkeit dazu war es zu allen Zeiten immer, möglichst teure Materialien in möglichst großer Menge zu verwenden und so finden wir dies auch im Spätmittelalter zum Beispiel in Form der weiten Houppelanden, Mäntel etc.
Doch die Entwicklung der Spätmittelalterlichen Mode hin zu immer aufwändigeren und kunstvolleren Schnitten bot der Zurschaustellung des Reichtums noch weitere, weit elegantere Möglichkeiten.
Bereits bei den Übergewändern haben wir vorhin die extrem weiten, manchmal sackartig, manchmal trichterförmig ausgebildeten Ärmel betrachtet. Im vergleich zum Torso des jeweiligen Kleidungsstücks sind die Ärmel in Ihrer Formgebung extrem überzogen und zeigen so trotz eines modisch engen und angepassten Kleidungsstücks verschwenderischen Umgang mit dem Material in einem einzelnen Detail. Neben dem reinen Materialverbrauch dürfte aber auch noch ein anderer Aspekt bei der Gestaltung derartiger Kleidung mitgeschwungen haben: Selbstverständlich zeigt das verwendete Material direkt den Wohlstand des Trägers der Kleidung an. Darüber hinaus wäre mit dieser Kleidung körperliche Arbeit an sich auch nur schwer bzw. nicht möglich. Dies könnte als subtileres Zeichen dafür beabsichtigt gewesen sein, dass der Träger dir Arbeit zwar nicht verrichten könnte, aber auch in seiner vermögenden Position gar nicht leisten muss!
Ähnlich könnten somit auch weitere bereits erwähnte Details interpretiert werden. Ähnlich den weiten Ärmeln der Oberbekleidung hinderten auch die überlangen Schnäbel der Schnabelschuhe möglicherweise am Gehen, verhinderten aber auf jeden Fall die Verrichtung körperlicher Tätigkeiten und zeugten somit vom Wohlstand des Trägers.

Farbigkeit
Wo leuchtend farbige Stoffe im Hochmittelalter noch durchweg dem Adel vorbehalten waren, eroberten diese im Spätmittelalter mit dem Wachsen der Städte, dem technischen Fortschritt und der Ausbildung des Bürgertums zwar nicht die gesamte Gesellschaft, aber doch weit größere Bevölkerungsschichten als jemals zuvor. Ziehen wir nochmals die oben genannten Bildquellen zu Rate, finden wir beinahe die gesamte Palette der mit Pflanzen erzielbaren Stofffarben. Selbstverständlich dürften sehr aufwändige und somit teuere Färbungen wie blau und schwarz eindeutig den wohlhabenden Schichten vorbehalten gewesen sein, allerdings waren sie nicht mehr ausschließlich auf den Hochadel beschränkt, sondern sind auch durchaus bei reichen Kaufleuten und Gildenmeistern zu finden.

Eine sehr gute Vorstellung, wie „bunt“ die Mode des Spätmittelalters sowohl im Bezug auf Formen, als auch auf ihre Farbigkeit gewesen sein muss, geben die Kleiderverordnungen verschiedener Städte. So regelten zum Beispiel die Städte Nürnberg, Konstanz, Basel, Freiburg wie viele andere auch die Bekleidung ihrer Bürger zumindest dahingehend, dass sie allzu extreme Ausprägungen reglementierten. Dies konnte etwa eine Maximallänge für den Schnabel des Schuhs sein, oder eine Vorschrift, wie weit die Schecke des Mannes hinabreichen bzw. was sie verdecken musste.
[ L.C. Eisenbart: „Kleiderordnungen der deutschen Städte zwischen 1350 und 1700“ (1962) Musterschmidt-Verlag ]

Zusammenfassend können wir nach diesem kurzen Überblick feststellen, dass sich in der Mode des Mittelalters gigantische Veränderungen vollzogen haben. Waren zu Beginn des Frühmittelalters noch gerade, einfach Schnitte und zumindest in der breiten Masse der Bevölkerung naturfarbene oder sehr einfach zu färbende Materialien üblich, so sind wir nun am Umbruch des Mittelalters hin zu Renaissance bei einer Farben- und Formensprache angelangt, welche sich zwar in ihrer Ausprägung deutlich von moderner Mode unterscheidet, bezüglich der Vielfalt und Raffinesse aber durchaus keinen Vergleich zu scheuen braucht.

Florian Fischer / Februar 2012