Nachdem wir uns in den vergangenen Artikeln dem Mittelalter von verschiedenen eher theoretischen Seiten genähert haben, wollen wir uns jetzt einem Thema zuwenden, das für den Reenactor bzw. LARPer von großem praktischem Nutzen ist – der Kleidung.
Neben dem offensichtlichen Zweck als Wetter- und Witterungsschutz erfüllt Kleidung noch verschiedene andere Funktionen. Als erstes sichtbares Merkmal einer Person kann sie Aufschluss geben über Stand, Beruf und damit auch Wohlstand des Trägers. Darüber hinaus spiegelt sie aber neben der individuellen Stellung des Gekleideten auch in gewissem Rahmen die geistige Haltung einer Gesellschaft  wider.
In diesem und den folgenden Artikeln schauen wir uns zunächst einmal die Kleidung des Frühen und später dann die des Hohen und Späten Mittelalters an.
Vorgänger des Frühmittelalters und somit Ausgangslage für dieses war, wie im Artikel „Das Mittelalter – Versuch einer Begriffsdefinition“ erläutert, die Antike. Für unsere Betrachtung zur Kleidung bedeutet dies, dass wir zu Beginn des Frühmittelalters eine heterogene Basis aus römischen, germanischen und im Rahmen der Völkerwanderung auch slawischen Stilen und Einflüssen vorfinden. Zur Eingrenzung dieses ohnehin sehr ausufernden Themas wollen wir uns zunächst im Wesentlichen auf die Entwicklungen im heutigen West- und Mitteleuropa beschränken und uns auf den profanen Bereich konzentrieren. Die Behandlung lokaler Phänomene oder abgegrenzter Gruppen wie etwa die Entwicklung kirchlicher Ornate werden wir im Hinblick auf den Umfang der Ausführungen zunächst außer Acht lassen.
Ebenso soll zunächst die Kleidung selbst im Mittelpunkt stehen, Schmuck, Accessoires und sonstige Gegenstände, die im Alltag mitgeführt wurden, sollen in einem späteren Artikel gesondert behandelt werden.

Männerkleidung
Der Mann des Frühmittelalters trug eine Kleidung, welche sich schrittweise aus der Männermode der Spätantike entwickelt hatte und teilweise noch deutliche Merkmale derselbigen aufwies. Ähnlich der modernen Mode unterteilte sich die Kleidung in Beinkleider, ein Hemd, das den Torso und die Arme bedeckte und mehr oder weniger weit am Bein hinab reichte und einer Überbekleidung, die sowohl praktischen, als auch repräsentativen Nutzen hatte.
Das wohl kontroverseste dieser Kleidungsstücke der männlichen Mode ist das Beinkleid. In der römischen Zivilisation noch verschmäht, entwickelte sich die Germanische Hose spätestens durch die Einflüsse der Völkerwanderung auch hier zum Ende des Römischen Reiches hin zum üblichen, wenn auch immer noch als „barbarenhaft“ angesehenen Kleidungsstück. Somit stellte die eng anliegende, geschlossene und mit einem Gürtel gebundene Hose ein übliches Kleidungsstück zu Beginn des Frühen Mittelalters dar. [Phillip von Rummel: „Habitus Barbarus“ (2005)] Ähnlich den Gebräuchen der Germanischen Stämme wurde die Hose entweder alleine, oder in Kombination mit Wadenwickeln getragen, die jedoch im Verlaufe des Frühmittelalters mehr und mehr verschwanden. Aufgabe der Wadenwickel war es, den Spalt zwischen Schuhen und Hose zu schließen. Dabei konnten diese je nach Hosenlänge das gesamte Unterbein bedecken. Sehr gut erkennbar ist dieses Nebeneinander verschiedener Varianten zum Beispiel in den Buchmalereien des sog. „Salzburger Kalendariums“, einem Codex, der um das Jahr 815 die bäuerlichen Arbeiten im Jahresablauf zeigt [Hans-Werner Goetz: „Leben im Mittelalter“ (1986)]. Auf diesen Abbildungen ist darüber hinaus ein weiterer Entwicklungsschritt der Beinkleider im Verlaufe des Frühmittelalters erkennbar: Die Beinlinge. Zwar entwickelten sich diese erst im Hochmittelalter zur bekannten Form langer „Strümpfe“, die bis ans Gesäß reichen und an der Unterhose, der sog. Bruche, befestigt werden. Allerdings sind wiederum zum Beispiel im „Salzburger Kalendarium“ Abbildungen erkennbar, auf denen kniehohe, eng anliegende Kleidungsstücke über einer Hose getragen werden. Da die sonst deutlich erkennbare Wicklung der Wadenwickel hier fehlt, ist anzunehmen, dass es sich um Kniestrümpfe handelt. Unter anderen die Funde aus dem Hafen von Haithabu stützen diese These [Inga Hägg: „Textilfunde aus dem Hafen von Haithabu“ (1984)] und führen zu der Annahme, dass sich möglicherweise die Wadenwickel zu Strümpfen entwickelten, die – über der Hose getragen – mit zunehmender Länge eine immer kürzere Hose ermöglichten. Ab einem gewissen Punkt dürften die Strümpfe oder dann Beinlinge die repräsentative Aufgabe der früheren Hose übernommen haben und diese Schritt für Schritt auf eine Unterbekleidung reduziert haben.
Verschiedene zeitgenössische Abbildungen wie zum Beispiel die Darstellung Karls des Großen mit den Päpsten Gelasius und Gregor I. (aus dem Sakramentar Karls des Kahlen, ca. um 870) zeigen sogar bereits die Verwendung von sog. Strumpfbändern, welche unter dem Knie gebunden wurden, um den Strumpf oder den Beinling im Bereich des Knies am Bein zu fixieren. Gemeinsam mit langen, bis unter das Obergewand reichenden Beinligen stellt dies bereits eine Art der Beinkleidung dar, die vor allem im Hoch- und Spätmittelalter beinahe die einzige Art der männlichen Beinkleidung darstellen sollte.

Das Obergewand des Mannes war in erster Linie die Tunika. Sie entwickelte sich aus der spätrömischen Form der Tunika oder auch dem Germanischen Hemd weiter, blieb aber vom grundsätzlichen Schnitt her recht ähnlich. Verschiedene Abbildungen, darunter der sog. „Stuttgarter Bilderpsalter“, zeigen eine Tragweise, bei der zwei Tuniken übereinander getragen werden. Eine kürzere Tunika diente wohl als „Unterhemd“, während die längere Tunika darüber getragen wurde und das eigentliche Oberbekleidungsstück darstellte [ Alexandra Schäfer: „Der Stuttgarter Bilderpsalter“ (2005) ].
Auf den oben bereits erwähnten Bildquellen kann man sehr gut erkennen, dass die (Ober-) Tunika wohl meist bis ans Knie reichte und in einer geraden oder eventuell nach unten etwas erweiterten Form geschnitten war. Da die Abbildungen dieser Zeit weder Knöpfe noch sonstige Verschlüsse zeigen, waren die Tuniken vermutlich so weit gestaltet, dass man hineinschlüpfen konnte. Die weite Form wird auch nochmals an der oben aufgeführten Abbildungen Karls des Großen ersichtlich, auf der die Raffung des Stoffs über dem Gürtel gut erkennbar ist. Ebenso zeigt das Salzburger Kalendarium deutlich einen starken Faltenwurf der Kleidung, was sowohl für einen weiten als auch einen einfachen, nicht dem Körper exakt angepassten Schnitt spricht.

Ebenfalls gut erkennbar ist der Gürtel, der auf beinahe allen Abbildungen über der Tunika getragen wird. Dies wird einerseits durch den weiten Schnitt der Kleidung erforderlich, um bei der Arbeit nicht durch die weiten Falten behindert zu werden. Darüber hinaus erfüllte der Gürtel aber auch die Funktion einer Tasche. Da die frühen Hosenfunde allesamt keine Hosentaschen aufwiesen und spätestens beim Wandel hin zu den Beinligen ( abgesehen von der Bruche ) schlicht keine Hose mehr vorhanden war, die Taschen hätte aufweisen können, trug man eine Gürteltasche, die der Aufbewahrung der alltäglichen Gegenstände diente.

Über Tunika und Beinlingen vervollständigte ein Mantel die Bekleidung. Die Abbildungen zeigen zwei verschiedene Formen dieses Kleidungsstücks, welche sich beide wieder aus der Spätrömischen Mode herleiten lassen. Sowohl das Salzburger Kalendarium, als auch der Sakramentar Karls des Kahlen zeigen etwa knie- bis wadenlange Umhänge, die auf einer Schulter mit einer Fibel oder Brosche geschlossen sind. Vom Typus her erinnert dieses Kleidungsstück stark an die Kurzmäntel des römischen Militärs. Die Grundform der Mäntel scheint mehr oder weniger rechteckig zu sein, wobei der Zuschnitt von beinahe Quadratisch bis hin zu lang gezogenen Rechtecken reichen kann.
Davon abweichend erscheinen die Mäntel der abgebildeten Päpste länger und deutlich voluminöser und erinnern weit mehr an die Toga des Römischen Adels. Da diese Form allerdings ausschließlich bei Abbildungen religiöser Personen zu finden ist, liegt die Vermutung nahe, dass die römische Toga direkt in das kirchliche Ornat einfloss und somit eher sakralen denn modischen oder praktischen Charakter hat.

Bei der Betrachtung der Abbildungen fällt auf, dass entgegen den Abbildungen der späteren Jahrhunderte zwar einige, aber bei weitem nicht alle Personen mit Kopfbedeckungen gezeigt werden. Dies gibt Grund zu der Annahme, dass Kopfbedeckungen durchaus verwendet wurden, vermutlich aber nicht den repräsentativen Stellenwert hatten, der ihnen zum Beispiel im Spätmittelalter zugemessen wurde. Als Kopfbedeckung nutzte der frühmittelalterliche Mann vermutlich in erster Linie, wie auf dem Salzburger Kalendarium erkennbar, verschiedene Arten einfacher Kappen oder Mützen, die aus Wollstoff, Wollfilz oder Leder hergestellt wurden. Aufgabe dürfte in erster Linie der Schutz vor Wind und Wetter gewesen sein, möglicherweise spielten aber auch bereits hygienische Gründe mit hinein, wie sie etwa bei den Bundhauben des Hochmittelalters eine Rolle spielten.

Frauenkleidung
„Männer und Frauen sollen nach Gottes Gesetz unterschiedlich bekleidet sein und wer sich nicht daran halte, lade Schimpf auf sich“, wie die von Ludwig dem Frommen im Jahr 816 einberufene Reformsynode festhielt.
Leider fehlen uns jedoch so zahlreiche und detaillierte Abbildungen weiblicher Personen des Frühen Mittelalters, wie sie uns in Form verschiedener Sakramentare oder sonstiger Buchmalereien für die Männer vorliegen.
Einige aufschlussreiche Beispiele sind jedoch zum Beispiel die Darstellung des „Stuttgarter Bilderpsalter“ ( ca. 820 – 830 ) oder die „Johannesoffenbarung der Trierer Apokalypse“ ( um 800 ). Darüber hinaus bringen Grabfunde und verschiedene Textbelege zeitgenössischer, vor allem kirchlicher Quellen verwertbare Informationen.
[D.Reimann: „Vereint in den Tod – Doppelgrab 166/167“ (1999) erschienen in „Das Archäologische Jahr in Bayern 1999“]

Das Kernstück der weiblichen Bekleidung des Frühmittelalters bildet, ebenso wie bei der Kleidung der Männer, die Tunika. Dabei zeigen Form und Schnitt kaum Abweichungen zum männlichen Pendant, lediglich mit einer meist bis zum Knöchel reichenden Länge zeigt sich ein signifikanter Unterschied. Ebenfalls wie bei der männlichen Bekleidung lassen einige der Abbildungen unter der langen Obertunika eine zweite Untertunika erkennen, die auch wiederum lang geschnitten bis an die Knöchel reicht.
Auffällig ist, dass die Tunika der Frauen im Gegensatz zur Männertunika sowohl mit, als auch ohne Gürtel abgebildet wurde.
Bei der Betrachtung der Abbildungen vor allem der Johannesoffenbarung entsteht weiter der Eindruck, dass die Tuniken der Frauen möglicherweise häufiger mit aufwändigen Borten am Saum geschmückt  waren, was allerdings noch keinen Rückschluss darauf zulässt, dass dies zwangsläufig immer so der Fall war.

Wie bereits angeschnitten, wurde die Tunika häufig mit einem Gürtel um die Hüfte geschlossen, der wie beim männlichen Gegenpart das Kleidungsstück fasste und die Gürteltasche trug.

Zusätzlich zur Untertunika lassen verschiedene Quellen vermuten, dass die Frau ebenfalls Strümpfe trug, die bis ans Knie oder etwas darüber reichten und ebenfalls mit Kniebändern fixiert wurden. Außerdem lassen Funde der Schwäbischen Alb darauf schließen, dass Wickelbänder ebenso zur Bandbreite an Beinkleidern gehörten, wie es bei den Männern der Fall war.
[ J.Banck: „Ein merowingerzeitlicher Baumsarg aus Lauchheim / Ostalbkreis“ (1998), veröffentlicht in L. Bender Joergensen: „Textiles in European Archeology“ (1998) ] Einig sind sich Archäologen darin, dass die Frauenkleidung keine Hosen umfasse, sondern sich auf Strümpfe / Wickel in verschiedenen Varianten beschränkte. Lediglich für den Osteuropäischen Raum, in dem die Christianisierung nur schrittweise vorankam, gibt es Hinweise darauf, dass Frauen verschiedener Bevölkerungsgruppen denen der  Männer ähnliche Hosen trugen. So verweist eine Abhandlung Papst Nikolaus I. ( 820-867 ) darauf, dass die Hosen der Bulgarinnen zwar nicht zur kirchlich anerkannten Frauentracht gehöre, das Tragen oder Nichttragen derselben aber nicht zum Heil führe und daher nicht dogmatisch zu betrachten sei.

Die Umhänge der Frauen hatten den Männerumhängen gleich einen rechteckigen Zuschnitt. Großer Unterschied dabei ist aber, dass die Frau des Frühmittelalters den Mantel entweder vorne mit einer Fibel schloss, oder nur lose um die Schulter legte und mit der Hand vorne zusammen hielt. Gut erkennbar ist dieser Unterschied in den Abbildungen des Stuttgarter Psalters. Teilweise konnten diese großen Tücher sogar über den Kopf gelegt werden, so dass sich mit der Fibel auf der Vorderseite eine Art Kapuzenumhang ergab.

Die üblichste Kopfbedeckung der Frau dürfte der Schleier gewesen sein, der häufig mit einer Art Stirnband gehalten wurde und entweder bis zur Schulter oder in einzelnen Fällen an Stelle des Mantels auch bis beinahe zum Boden fiel. Darüber hinaus zeigen die oben bereits erwähnten Bildquellen die so genannten Haarbänder der Jungfrauen.  Diese tauchen sowohl in Form gewobener Bänder, als auch in Form einer Perlenschnur in den Abbildungen auf und wurden in das Haar der jungen, unverheirateten Frauen geflochten.
Darüber hinaus geben einige zeitgenössische Schriftquellen vage Informationen über weitere weibliche Kopfbedeckungen, die vermutlich Ähnlichkeit mit Hauben oder Schleiern hatten, aber auf Grund der spärlichen Quellenlage nicht weiter definiert werden können.
[Mechthild Müller: „Die Kleidung nach Quellen des frühen Mittelalters“ (2003)]

Schuhe
Zu den Schuhen, die von Männern und Frauen im Frühmittelalter getragen wurden, geben die vorhandenen Bildquellen leider relativ wenig Aufschluss. Häufig sind die Abbildungen so klein und in diesen Bereichen wenig detailliert, oder auch schlicht unter den langen Gewändern verborgen, dass daraus kaum Schlüsse auf die exakte Form zu ziehen sind. Lediglich die Information ist aus den Abbildungen zu gewinnen, dass das Schuhwerk wohl in verschiedenen Formen, sowohl als Halbschuh, als auch als über den Knöchel reichender Stiefel vorhanden war.
Aufschlussreicher dagegen sind die Funde aus Haithabu ( Schleswig-Holstein ), Basel ( Schweiz ) und Mecklenburg. Diese Funde zeigen allesamt Halbschuhe, die vorn leicht spitz zulaufen und in der Wendetechnik genäht sind. Das bedeutet, der Schuh wurde „auf links“ gedreht und die einzelnen Teile auf der Innenseite vernäht, so dass die Nähte beim Tragen innen im Schuh lagen und beim Laufen nicht durchgescheuert werden konnten. Sowohl Obermaterial als auch Sohle waren aus Leder, wobei Fragmente anderer Fundorte darauf hindeuten, dass in Einzelfällen wohl auch Stoff als Obermaterial Verwendung fand. Die erhaltenen Schuhe werden allesamt geschnürt und sind teils mehr, teils weniger verziert. Dieser Schmuck reicht von einfachen Ziernähten entlang der Mittelnaht auf dem Spann bis hin zu vollflächigen Bestickungen.
Obwohl darüber keine absolute Sicherheit besteht, kann man davon ausgehen, dass Männer und Frauen sehr ähnliche Schuhmodelle trugen, wie auch die sonstigen Kleidungsstücke im Großen und Ganzen hohe Ähnlichkeiten aufweisen.

Material und Farbigkeit
Nachdem wir uns bisher mit Art und Form der verwendeten Kleidungsstücke befasst haben, stellt sich jetzt natürlich die Frage, aus was diese Kleidung hergestellt wurde.
In erster Linie wurden für die Bekleidung des Frühen Mittelalters Stoffe verwendet, die aus Naturfasern hergestellt und mit meist pflanzlichen Farbstoffen gefärbt wurden. Daneben fanden auch Leder und Felle verschiedener Tierarten Verwendung. Abgesehen von Schuhen, Gürteln hatte die Verwendung dieser Materialien prozentual gesehen aber einen geringen Anteil. Die hauptsächliche Verwendung dürfte sich auf besonders warme Winterkleidung aus einfachen Nutztierfellen oder auch repräsentative Kleidung aus Wildtierfellen für die höheren Gesellschaftsschichten beschränkt haben.
Die verbreiteten Stoffe für die Kleiderherstellung war zum einen Wollstoff, welcher aus der Wolle heimischer Schafe günstig und in großer Menge hergestellt werden konnte. Da sich Wollstoff mit Pflanzenfarbstoffen wie Krapp, Waid, Walnuss etc. relativ einfach färben lässt, kam dieser Stoff für die meisten sichtbaren Kleidungsstücke wie Tuniken, Hosen oder auch Umhänge zur Anwendung. Darüber hinaus bot Wollstoff gute wärmende Eigenschaften und über das enthaltene Lanolin ( Wollfett ) einen passablen Schutz gegen Regen und Feuchtigkeit, der durch Verfilzen des Stoffes noch gesteigert werden konnte.
Eine weitere positive Eigenschaft des Wollstoffs ist seine Dehnbarkeit, vor allem diagonal zur Webrichtung. Somit war Wollstoff auch als eine Art natürliches „Stretch“-Material für Socken und Beinlinge hervorragend geeignet.
Neben der Wolle wurden aber auch heimische Pflanzenfasern zu Stoff verarbeitet, der Hanf und vor allem der Flachs. Der aus Flachs gewonnene Leinenstoff fand in erster Linie für die unteren Bekleidungsschichten Anwendung. Dies resultiert vermutlich daraus, dass er sich zum einen nur sehr schwer färben lässt und somit weniger repräsentativ genutzt werden kann, als die Wolle. Zum anderen trägt sich Leinenstoff auf Grund der vergleichsweise glatten Oberfläche wesentlich angenehmer direkt auf der Haut, als dies bei Wolle der Fall wäre.
Vor allem Schriftquellen lässt sich entnehmen, dass neben diesen einheimischen Produkten durchaus auch importierte Stoffe wie Seide verwendet wurden. Allerdings dürften diese auf Grund des hohen Importpreises ausschließlich auf den kleinen Kreis der kirchlichen und weltlichen Herrscher beschränkt geblieben sein, die über genügend Reichtum verfügten, sich dieses Luxusgut zu leisten.

Wenn wir uns die im Verlaufe dieses Artikels aufgeführten Bildquellen einmal anschauen, wird deutlich, dass beinahe alle sichtbaren Kleidungsstücke tatsächlich bunt dargestellt werden, die Unterbekleidung, wo sichtbar, aber meist grau oder weiß erscheint.
Dies verbildlicht einerseits nochmals die Verwendung von Leinen für die Unter- und Wolle für die Oberbekleidung, widerlegt aber darüber hinaus selbst in dieser Frühen Phase bereits das weit verbreitete Klischee des grauen und trostlosen Mittelalters!

Bekleidung und Gesellschaftlicher Stand
Nun wissen wir im groben Rahmen, wie sich die Menschen in der Frühmittelalterlichen Gesellschaft kleideten. Doch sollen sich tatsächlich alle Menschen der Gesellschaft so gekleidet haben, Knecht wie König und Magd wie Edeldame?
Es zeigt sich, dass die Art der Kleidungsstücke tatsächlich um Grunde die gleiche war. Vergleicht man einmal die bäuerlichen Darstellungen des Salzburger Kalendariums mit dem Sakramentar Karls des Kahlen, so fällt auf, dass in der Tat alle abgebildeten Personen eine Tunika, Strümpfe oder Beinlinge und einen Mantel tragen. Der große Unterschied, an dem sich die Stände voneinander unterscheiden lassen, ist die Ausführung dieser Kleidung. Wo die Bauern meist in leicht und günstig zu färbendem Rot dargestellt werden, trägt der König teureres Grün und Blau. Darüber hinaus weist seine Kleidung umfangreiche Verzierungen und Bestickungen auf und von seinem Gürtel hängt eine prächtige Tasche.
Zusammenfassend können wir also festhalten, dass die Kleidung im Grunde im oben aufgeführten Rahmen abgesehen von geographischen Unterschieden recht einheitlich war und sich vor allem in der Ausführung, der Aufwändigkeit und der Ergänzung mit Verzierungen und Schmuck unterschieden.

Florian Fischer / Januar 2012